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Transatlantische Beziehungen

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Melissa Keeley ist wissenschaftliche Mitarbeiterin des Ecologic Transatlantic Fellow Program. DIE ZEIT hat Melissa Keeley zu ihren Erfahrungen im transatlantischen Austausch interviewt.

DIE ZEIT 10/2003

Die Amerikanerin Melissa Keeley, 29, arbeitet als Stipendiatin der Bosch-Stiftung bei Ecologic in Berlin, einem Beratungsinstitut für Umweltpolitik.

Meine Eltern sorgen sich um mich, weil sie Angst vor einer antiamerikanischen Stimmung in Deutschland haben. „Zeig nicht, dass du Ami bist“, hat mir meine Mutter am Telefon gesagt. Aber ich wurde noch nie von deutschen Arbeitskollegen schief angeguckt, weil ich Amerikanerin bin. Im Gegenteil: Viele interessieren sich sehr für den Alltag und die Kultur Amerikas.

In Deutschland geht es bei der Arbeit förmlicher und distanzierter zu. An meinem letzten Arbeitsplatz zum Beispiel, einer Behörde, habe ich mich mit „Melissa Keeley“ vorgestellt. Und wurde höflich korrigiert: Also Frau Keeley. Das war sehr ungewohnt für mich. Um mehr Kontakt zu Kollegen zu bekommen, ließ ich meine Bürotür offen. Einige irritierte das so, dass sie die Tür im Vorbeigehen schlossen. Das war nicht böse gemeint; alle waren freundlich zu mir. Es sind einfach andere Sitten.

Die spüre ich selbst bei Ecologic, dem privaten Umweltinstitut, bei dem ich jetzt arbeite. Ich forsche über Gewässerschutz. Auf den Namenslisten ist immer der akademische Grad vermerkt: Diplombiologe etwa oder Diplomingenieur. In Amerika legt man weniger Wert auf Titel. Aber sonst gibt es hier keine großen Unterschiede zu einer amerikanischen Firma. Es wird gearbeitet, aber der Umgang ist locker. Gerade hatten wir eine witzige Party mit deutschen und amerikanischen Kollegen. Es gab deutsches Essen, Grünkohl, Wurst, Bier – und Musik von der (schrecklichen!) Achtziger-Jahre-Band Deutsch-Amerikanische Freundschaft.

In den letzten Wochen wird auch am Arbeitsplatz mehr über den Irak-Krieg gesprochen. Ich bin mit meinen deutschen Kollegen einer Meinung, dass dieser Krieg der falsche Weg ist. Deswegen unterscheiden sie zwischen mir und den anderen Amerikanern. Ich arbeite auch an der Universität. Dort gibt es einige, die das Problem vergröbern, nur das Öl sehen. Bei einigen wenigen habe ich das Gefühl, dass sie fast froh sind, weil die Öffentlichkeit nun sieht, was für böse, verschwenderische, herrische Leute die Amerikaner doch sind.

Was ich im Moment deutlich spüre, ist ein großer Unterschied in der Stimmung hier und bei mir zu Hause. In den amerikanischen Medien findet der Krieg schon statt. Viele Bürger haben Angst vor Giftgasanschlägen, richten sich Sicherheitsräume ein und horten Trinkwasser. Wie so viele Deutsche fürchten sich meine Kollegen mehr vor Amerika als vor dem Terrorismus oder vor Saddam Hussein. Vielen ist nicht bewusst, wie stark der 11.September die Amerikaner erschüttert hat. Manchmal denke ich, wie es wohl wäre, wenn die Anschläge nicht New York, sondern Berlin zum Ziel gehabt hätten.

Aber auch wenn die Stimmung hier und in Amerika unterschiedlich ist, uns verbindet so viel, dass es keinen echten Bruch geben wird – wenn wir die Kontakte von Mensch zu Mensch weiter pflegen. Unser Denken ist doch recht ähnlich. Als Kinder lernen wir mit Grimms Märchen, was gut und böse ist, wir befolgen, mehr oder weniger, die Zehn Gebote und folgen dem protestantischen Arbeitsethos. Amerikanische Studenten lesen die Schriften deutscher Denker wie Kant, Hegel oder Nietzsche; nicht um die deutsche Kultur zu verstehen, sondern weil sie auch uns etwas zu sagen haben.

Und die Deutschen haben sich doch für die amerikanische Lebensweise entschieden. Sie trinken ihren Kaffee bei Starbucks, essen bei McDonald’s und sehen sich schreckliche alte US-Serien im Fernsehen an. Bei einigen habe ich das Gefühl, sie wenden sich gegen die amerikanische Politik, weil sie damit verdrängen wollen, dass sie schon halbe Amerikaner geworden sind.

Ich arbeite gern in diesem Land. Auch die Antikriegsdemonstration in Berlin fand ich ganz okay. Aber unter den Demonstranten gab es auch einige, die ihren Hass auf Amerika gezeigt haben. An dem Tag habe ich in der Öffentlichkeit leiser gesprochen, damit nicht gleich jeder merkt, dass ich Amerikanerin bin.

Aufgezeichnet von Thomas Kerstan

Lesen Sie hier den Lebenslauf von Melissa Keeley.

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