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Ecologic Institut Newsletter Nr. 241 – Oktober 2022

Ecologic Institut Newsletter Nr. 241 – Oktober 2022

Ecologic Institut Newsletter

Energieinvestitionen von unten anstoßen, damit die Krisenreaktion langfristig trägt

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

ich verfolge die Energiepolitik nun schon seit fast zwei Jahrzehnten. Noch nie in dieser Zeit war die Situation so disruptiv und so besorgniserregend wie in den letzten Monaten. Um angemessen reagieren zu können, ist es wichtig, das Ausmaß der Krise zu benennen: Seit Russland Energielieferungen als Waffe einsetzt, hat sich der Gaspreis im Vergleich zum Durchschnitt der letzten fünf Jahre versiebenfacht. Und dennoch ist selbst bei diesen extremen Preisen nicht klar, ob die Nachfrage schnell genug sinken wird, um eine Rationierung zu vermeiden. Auch der Strommarkt erlebt Rekordpreise. Allerdings liegt das nicht nur an den hohen Gaspreisen, sondern auch an der alternden französischen Nuklearflotte und einer Rekorddürre, die die Stromerzeugung aus Wasserkraft und die Kühlung von Kraftwerken behindert hat. Obwohl unklar ist, wann die Konfrontation mit Russland enden wird, können wir sicher sein, dass letztere Probleme bestehen bleiben und sich wahrscheinlich noch verschärfen werden.

Es handelt sich also um eine akute, kurzfristige Krise. Aber nicht nur. Und unsere Antwort muss das widerspiegeln. Die vor uns liegende Herkulesaufgabe besteht darin, die kurzfristige Krise zu bewältigen, ohne die mittelfristig notwendigen Schritte zu verzögern. Mit Blick auf die akute Krise intervenieren EU-Regierungen mit zum Teil völlig neuen Instrumenten, um den Energieverbrauch zu senken, alternative Energielieferanten zu finden und gefährdete Haushalte und Unternehmen zahlungsfähig zu halten.

Mit Blick auf die nächsten Jahre und letztendlich auf die Klimaneutralität brauchen wir eine massive Beschleunigung der Investitionen in erneuerbare Energien, Wärmepumpen und Energieeffizienz sowie bei den Lieferketten und Infrastrukturen, die diese Technologies ermöglichen. Wenn diese Krise einen Vorteil hat, dann ist es die Dynamik, die sie für einen transformativen Wandel erzeugen kann, denn inkrementelle Schritte allein werden nicht ausreichen, um uns zur Klimaneutralität zu führen.

In unserer Antwort auf die multiplen Krisen wurde eine Ressource bisher nicht ausreichend erschlossen und das ist die Bereitschaft von Bürgerinnen und Bürgern sowie von Kommunen und Unternehmen, ihren Beitrag zu leisten – sowohl durch Energieeinsparung als auch durch Investitionen. Dazu benötigen die Verbraucherinnen und Verbraucher mehr Transparenz über ihren Energieverbrauch (und möglicherweise auch über die aktuelle Last im System) näher an der Echtzeit. Auch finanzielle Anreize für diejenigen, die den Energieverbrauch unter das frühere Niveau senken, können hilfreich sein. Vor allem aber bietet das hohe Maß an öffentlicher Aufmerksamkeit für das Thema Energie eine einzigartige Gelegenheit, eine Welle privater Investitionen in saubere Energielösungen auszulösen. Dies erfordert Unterstützung auf der Angebotsseite und die Bereitschaft, administrative Hürden für die Genehmigung, den Netzanschluss, den gemeinsamen Verbrauch erneuerbarer Energien und für Energiegemeinschaften schnell abzubauen. Schließlich sind die Regierungen dafür verantwortlich, weitere Fehlinvestitionen zu vermeiden, indem sie z. B. die Installation neuer fossiler Heizungen zügig unterbinden.

Katharina Umpfenbach
Koordinatorin Energie

Publikationen

Hin zu einem transformativen Rechtsrahmen für ein nachhaltiges Lebensmittelsystem – Think 2030 Policy Brief

Das Think-2030-Strategiepapier besteht aus fünf Teilen. Abschnitt 1 beschäftigt sich mit der Frage, wie ein nachhaltiges Agrar- und Ernährungssystem aus wissenschaftlicher Sicht aussehen sollte und wie ein Gesetz über ein nachhaltiges Lebensmittelsystem (Sustainable Food System, SFS) die Ernährungssysteme in der EU besser mit den wissenschaftlichen Erkenntnissen in Einklang bringen könnte. Abschnitt 2 beschäftigt sich mit den möglichen Zielen eines solchen Gesetzes und damit, wie ein nachhaltiges EU-Agrar- und Ernährungssystem definiert werden kann. In Abschnitt 3 wird die mögliche Architektur des Gesetzes erörtert, und in Abschnitt 4 wird die Notwendigkeit eines mehrstufigen Steuerungsrahmen unter Beteiligung der Mitgliedstaaten untersucht. In der Schlussfolgerung werden mögliche politische Wege zur Erreichung eines ehrgeizigen SFS-Gesetzes diskutiert. Das Strategiepapier steht zum Download zur Verfügung.

Wiederherstellung von EU-Ökosystemen – Think2030 Policy Brief

Dieser Think2030 Policy Brief unterstreicht die Dringlichkeit einer ambitionierten EU-Naturschutzrichtlinie – angesichts der vielfältigen Vorteile von Renaturierungen für Natur, Mensch und Wirtschaft – und bespricht die notwendigen Maßnahmen zur Sicherstellung der Umsetzung der Restaurierungsziele in den Mitgliedsstaaten. Die Publikation beinhaltet Empfehlungen für die Mitgliedstaaten und die EU-Institutionen, die zur erfolgreichen Umsetzung des kommenden Gesetzes beitragen sollen. Der Policy Brief wurde gemeinsam von IEEP, The Green Tank, Ecologic Institut und IDDRI erstellt und steht zum Download zur Verfügung.

Warum ein EU-Rechtsrahmen für nachhaltige Lebensmittel für das Klima, die biologische Vielfalt und die Wettbewerbsfähigkeit von entscheidender Bedeutung ist – Stellungnahme

Der Vorschlag für einen Rechtsrahmen für ein nachhaltiges Lebensmittelsystem (SFSF) fand in den Plänen von EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen für 2023 vor dem EU-Parlament keine Erwähnung. Dies führte zu Spekulationen über den Zeitrahmen dieses wichtigen Vorschlags, der als Eckpfeiler des EU Green Deal für den Agrar- und Ernährungssektor präsentiert wurde. Diese Stellungnahme - mitunterzeichnet von Mitgliedern des Think Sustainable Europe Netzwerks - unterstreicht die Bedeutung des SFSF, welches im nächsten Jahr vorgeschlagen werden soll. Es soll den dringend erforderlichen nachhaltigen Wandel im Lebensmittelsystem der EU vorantreiben. Die Stellungnahme wurde von den geschäftsführenden Direktor*innen von TSE unterzeichnet und steht online zur Verfügung.

Hin zu einem internationalen Abkommen über Plastikverschmutzung: Die Rolle der G20 – T20 Policy Brief

Dieser Policy Brief untersucht die Lücken in den bestehenden internationalen Verträgen zur Plastikverschmutzung der Meere und zeigt Komponenten auf, die in einen neuen Vertrag aufgenommen werden sollten. Diese Vorschläge werden die Arbeit der G20 zur Plastikverschmutzung ergänzen. Da der G20-Gipfel 2022 in Indonesien stattfinden wird, ist der Schwerpunkt dieses Kurzdossiers nicht nur für die G20-Länder relevant, sondern auch für Südostasien, das den größten Beitrag zur Verschmutzung der Meere durch Plastik leistet.

Fischschutz und Fischabstieg – Fact Sheets

In den Jahren 2020-2022 wurden sechs Fact Sheets zu Fischschutz und Fischabstieg in deutscher Sprache erstellt. Vier davon stehen nun auch in Englisch zum Download zur Verfügung: 01 - Fischschutzziele in Europa (de/en), 02 - Ziele für den Fischschutz und Fischabstieg in Deutschland (de), 03 - Evaluierung primärer Schädigung von Fischen an Wasserkraftstandorten (de/en), 04 - Technische Funktionsfähigkeit großer Fischschutzrechen in der Praxis bestätigt (de/en), 05 - Wann ist ein Rechen ein Fischschutzrechen? (de/en) und 06 - Fischschutz- und Fischabstiegsmaßnahmen – Praxisbeispiele im Überblick (de).

Präsentationen und Veranstaltungen

Das deutsche Bundesklimaschutzgesetz – Vortrag

Dr. Stephan Sina, Senior Fellow des Ecologic Instituts, hielt einen Vortrag auf der internationalen wissenschaftlichen Konferenz "Towards the Polish Climate Protection Act" am 7. September 2022 in Stettin (Polen). Er stellte die Grundzüge des deutschen Bundesklimaschutzgesetzes und dessen Überarbeitung infolge des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 24. März 2021 vor. Er nahm auch an der Podiumsdiskussion teil.

Naturbasierte Lösungen in der europäischen Politik – Vortrag

McKenna Davis, Senior Fellow am Ecologic Institut, hielt am 7. September 2022 einen Vortrag auf der Konferenz "Designing Urban Spaces with Nature" in Eindhoven (Niederlande). Sie informierte über die Integration von naturbasierten Lösungen (NBS) in die wichtigsten europäischen Politikinitiativen als Rahmen für die Förderung lokaler NBS-Maßnahmen, aufbauend auf ihrer Arbeit für die Europäische Umweltagentur und das Naturvation Projekt. Sie stellte Beispiele guter Praxis für politische Instrumente zur Unterstützung von NBS in den Niederlanden vor, die Teil des Urban Governance Atlas sind, der derzeit im Rahmen des INTERLACE-Projekts entwickelt wird. Ihre Vortragsfolien stehen als Download zur Verfügung.

Kohlendioxidabbau in den EU-Mitgliedstaaten – Webinar

Klimaszenarien besagen, dass Emissionsminderungen das Rückgrat der Klimaschutzmaßnahmen sind. Doch auch die CO2-Entnahme (CDR) spielt eine wichtige Rolle. Das Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) bezeichnet CDR als "unvermeidlich". In diesem Webinar wurde ein Bericht des Ecologic Instituts über nationale Rahmenbedingungen für CDR vorgestellt und diskutiert. Der Bericht bewertet die CDR-Rahmenbedingungen aller 27 Mitgliedstaaten und gibt Empfehlungen, wie diese verbessert werden können. Die im Webinar gezeigten Vortragsfolien von Dr. Nils Meyer-Ohlendorf und der zugrunde liegende Bericht stehen zum Download zur Verfügung.