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Mit historischem Wissen marine Ökosysteme schützen

Mit historischem Wissen marine Ökosysteme schützen

Präsentation
Datum
Ort
Vilm, Deutschland
Vortrag

Im Rahmen des jährlich stattfindenden Kolloquiums Meeresnaturschutz stellen die Wissenschaftler:innen der vom Bundesamt für Naturschutz (BfN) beauftragten Forschungsprojekte ihre Zwischenergebnisse und offenen Fragen vor. Für das Ecologic Institut präsentierte Dr. Grit Martinez erste Ergebnisse aus dem Forschungsvorhaben "Die deutsche Nord- und Ostsee vor über 100 Jahren" (HISTOMAR). Dabei stand das "Shifting Baseline Syndrom" im Zentrum ihres Vortrages und der sich anschließenden Diskussion.

Im Projekt "Die deutsche Nord- und Ostsee vor über 100 Jahren" (HISTOMAR) entwickelt das Team des Ecologic Instituts zusammen mit zwei Unterauftragnehmern eine historische Referenz für den marinen Artenbestand in der deutschen Nord- und Ostsee vor über 100 Jahren, die dem Bundesamt für Naturschutz als Orientierung für die Etablierung und Ausweitung von Naturschutzgebieten in der deutschen Ost- und Nordsee dienen soll. 

Auf dem Meeresnaturschutzkolloquium erläuterte Dr. Grit Martinez die Bedeutung historischen marinen Wissens: Artenschwund, Verlust des arktischen Eises, Anstieg des Meeresspiegels – Die Messung von Unterschieden im Laufe der Zeit erfordert immer einen Ausgangspunkt als Referenz. Dieser Referenzpunkt wird in der Regel als Basislinie (baseline) bezeichnet. Da sich Lebensräume und das Artinventar in den Meeren schleichend verändert haben, verschieben sich Referenzpunkte über Generationen hinweg. So haben die marinen Ökosysteme in der deutschen Nord- und Ostsee bereits mehrere Baseline-Verschiebungen durchlaufen, die zurzeit auch zusätzlich durch die Klimaerwärmung beschleunigt wird. Während die Verschiebung der Baselines früher intergenerational erfolgte, passiert dies heute bereits innerhalb eines Lebens oder in noch kürzeren Zeitabständen. Ohne Wissen über das marine Artinventar und die marinen Ökosysteme in der Vergangenheit nimmt jede Generation den aktuellen (bereits veränderten) Zustand als Norm war. Dies kann insgesamt zu falschen Erwartungen an Ökosysteme und verzerrten Zielsetzungen führen.

Da zahlreiche marine Organismen für den Erhalt stabiler Ökosysteme in der deutschen Nord- und Ostsee relevant sind, werden in HISTOMAR ausgewählte marine Arten hinsichtlich ihrer Abundanz und Verbreitung detailliert betrachtet. Der Fokus wird dabei insbesondere auf bereits ausgestorbene und seltene Schlüsselarten sowie auf gefährdete Fischarten, marine Säugetiere, Vögel und benthische Organismen gelegt. Anhand von aktuellen und historischen Daten aus Survey-Datenbanken, historischen Dokumenten in Archiven und naturkundlichen Forschungseinrichtungen wird das Projektteam Einblicke in frühere Zustände mariner Ökosysteme in Nord- und Ostsee nehmen. Das Team wird den Grad der Veränderung dokumentieren und erläutern, welche Arten und Lebensräume signifikante Rückgänge erfahren haben und in welcher Weise historisches Wissen zum marinen Naturschutz beitragen kann.

Das Kolloquium Meeresnaturschutz dient dem wissenschaftlichen Austausch zwischen den jeweiligen Projektteams sowie dem BfN zur Identifizierung von weiterem Forschungsbedarf sowie der Förderung von Synergien und Möglichkeiten zur Zusammenarbeit. Die Forschungsprojekte unterstützen insgesamt die Arbeit des BfN in den Aufgabenfeldern Monitoring ausgewählter Arten und Habitate, Erfassung und Bewertung der marinen Ökosysteme, Ausweisung und Management von Meeresschutzgebieten, Klimaschutz im Meer, Entwicklung von Maßnahmen zur Minimierung der Belastungen und internationaler Meeresnaturschutz.

Nord- und Ostsee verlieren Arten und Fischgröße – doch jede Verschlechterung wird zur neuen "Normalität". Wann ziehen wir die Reißleine, statt uns immer weiter nach unten anzupassen?

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Veranstaltung
veranstaltet von
Vortrag
Team
Datum
Ort
Vilm, Deutschland
Sprache
Deutsch
Projekt
Projekt-ID
Schlüsselwörter
marine Ökosysteme, Stressoren, Schutzziele, Wiederansiedlungsprogramme, Shifting Baseline Syndrom
Nordsee, Ostsee, Deutschland, Meer
historische Basislinie, historische Rekonstruktion, historische Referenz, Fachveranstaltung